Sage aus Hinterpommern
aus F.E. Schulz "Überlieferungen und Schwänke aus dem Kreis Köslin", Köslin 1925
Nicht
weit von Wendisch-Puddiger* bei Rummelsburg**, dicht an der Landstraße,
sah man noch im dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts elf große Steine
- erratische Blöcke - in einem Kreise von ca. 2 Ruten Durchmesser.
Mitten im Kreise lag ein größerer und daneben ein kleinerer Stein. Die
Steine in der Kreislinie waren in gleicher Entfernung voneinander
gesetzt, und der Kreis bildete eine richtige mathematische Figur. Diese
Stätte, ohne Zweifel eine alte slawische Opferstätte, war von jeher
unbeackert und unbenutzt geblieben, und nur dem Schäfer, der dort
hütete, dienten die Steine zum Sitzen. Heute (1885) sind sie
verschwunden, und die Fläche wird beackert. Nach der Sage aber sollen
die Steine verwünschte Menschen gewesen sein.
In
Puddiger und Umgegend, so erzählte man, herrschte zu wendischer Zeit ein
Knäs***, der hart und grausam war, die Bauern schindete und ihnen
Lasten auferlegte, die sie zuletzt nicht mehr tragen konnten.
Beizukommen war ihm nicht, denn seine Knechte und Hunde schützten ihn;
und es blieb den Bauern nur, sich mit dem Schwarzen Gott**** gegen den
Tyrannen zu verbünden. Sie riefen den Gott an, und dieser zitierte die
zwölf ältesten und angesehensten Bauern in einer Sommernacht in den
Wald, um mit ihnen einen Vertrag zu schließen. Die Bauern erschienen und
stellten sich im Kreise auf, der Schulze in der Mitte, und neben ihm
stand der Schwarze Gott und hörte sich ihre Bitte an. Sie verlangten die
Beseitigung des grausamen Grundherrn, und der Gott versprach ihnen die
Erfüllung ihrer Bitte, wenn sie ich ihm zu eigen ergäben. Sie sagten zu
unter der Bedingung, dass vor dem ersten Hahnenschrei der Tyrann
entfernt und sie davon unterrichtet wären.
Während der Gott sich durch die Luft davonmachte, setzten sich die
Bauern und beratschlagten, wie sie aus dem Pakt herauskommen könnten.
Sie beschlossen, die Hähne im Dorf zum Krähen zu bringen und den
Schwarzen, wenn er zurückkäme, mit Lobgesängen auf den weißen, guten
Gott zu empfangen, denn dieser sei der oberste Gott.
Einer
der Bauern eilte nach Hause und trug seiner Frau auf, den Hahn zum
Krähen zu bringen. Kaum war er wieder auf seinen Platz im Kreis
zurückgekehrt, krähten schon die Hähne im Dorf. Unterdessen hatte der
Schwarze Gott den Knäs umgebracht, und schon war er dem Kreise nahe, als
er die Hähne krähen und die Bauern den Lobgesang auf den Weißen Gott
anstimmen hörte. Er fuhr wutschnaubend um den Kreis herum, berührte die
Bauern mit einer Rute und verwandelte sie zu Stein. Da verwandelte der
von den Bauern herbeigerufene Weiße Gott auch den Schwarzen in einen
großen Stein.
* heute Podgórki
** heute Miastko
*** Herr, auch: Graf
**** Tschernobog, Czorneboh (und andere Schreibweisen): slawische Gottheit, die für das Böse zuständig war
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