Sonntag, 21. Oktober 2012

Der Steinkreis bei Wendisch-Puddiger

Sage aus Hinterpommern

aus F.E. Schulz "Überlieferungen und Schwänke aus dem Kreis Köslin", Köslin 1925

Nicht weit von Wendisch-Puddiger* bei Rummelsburg**, dicht an der Landstraße, sah man noch im dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts elf große Steine - erratische Blöcke - in einem Kreise von ca. 2 Ruten Durchmesser. Mitten im Kreise lag ein größerer und daneben ein kleinerer Stein. Die Steine in der Kreislinie waren in gleicher Entfernung voneinander gesetzt, und der Kreis bildete eine richtige mathematische Figur. Diese Stätte, ohne Zweifel eine alte slawische Opferstätte, war von jeher unbeackert und unbenutzt geblieben, und nur dem Schäfer, der dort hütete, dienten die Steine zum Sitzen. Heute (1885) sind sie verschwunden, und die Fläche wird beackert. Nach der Sage aber sollen die Steine verwünschte Menschen gewesen sein.

In Puddiger und Umgegend, so erzählte man, herrschte zu wendischer Zeit ein Knäs***, der hart und grausam war, die Bauern schindete und ihnen Lasten auferlegte, die sie zuletzt nicht mehr tragen konnten. Beizukommen war ihm nicht, denn seine Knechte und Hunde schützten ihn; und es blieb den Bauern nur, sich mit dem Schwarzen Gott**** gegen den Tyrannen zu verbünden. Sie riefen den Gott an, und dieser zitierte die zwölf ältesten und angesehensten Bauern in einer Sommernacht in den Wald, um mit ihnen einen Vertrag zu schließen. Die Bauern erschienen und stellten sich im Kreise auf, der Schulze in der Mitte, und neben ihm stand der Schwarze Gott und hörte sich ihre Bitte an. Sie verlangten die Beseitigung des grausamen Grundherrn, und der Gott versprach ihnen die Erfüllung ihrer Bitte, wenn sie ich ihm zu eigen ergäben. Sie sagten zu unter der Bedingung, dass vor dem ersten Hahnenschrei der Tyrann entfernt und sie davon unterrichtet wären.

Während der Gott sich durch die Luft davonmachte, setzten sich die Bauern und beratschlagten, wie sie aus dem Pakt herauskommen könnten. Sie beschlossen, die Hähne im Dorf zum Krähen zu bringen und den Schwarzen, wenn er zurückkäme, mit Lobgesängen auf den weißen, guten Gott zu empfangen, denn dieser sei der oberste Gott.

Einer der Bauern eilte nach Hause und trug seiner Frau auf, den Hahn zum Krähen zu bringen. Kaum war er wieder auf seinen Platz im Kreis zurückgekehrt, krähten schon die Hähne im Dorf. Unterdessen hatte der Schwarze Gott den Knäs umgebracht, und schon war er dem Kreise nahe, als er die Hähne krähen und die Bauern den Lobgesang auf den Weißen Gott anstimmen hörte. Er fuhr wutschnaubend um den Kreis herum, berührte die Bauern mit einer Rute und verwandelte sie zu Stein. Da verwandelte der von den Bauern herbeigerufene Weiße Gott auch den Schwarzen in einen großen Stein.

* heute Podgórki
** heute Miastko
*** Herr, auch: Graf
**** Tschernobog, Czorneboh (und andere Schreibweisen): slawische Gottheit, die für das Böse zuständig war

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