Sonntag, 21. Oktober 2012

Der Steinkreis bei Wendisch-Puddiger

Sage aus Hinterpommern

aus F.E. Schulz "Überlieferungen und Schwänke aus dem Kreis Köslin", Köslin 1925

Nicht weit von Wendisch-Puddiger* bei Rummelsburg**, dicht an der Landstraße, sah man noch im dritten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts elf große Steine - erratische Blöcke - in einem Kreise von ca. 2 Ruten Durchmesser. Mitten im Kreise lag ein größerer und daneben ein kleinerer Stein. Die Steine in der Kreislinie waren in gleicher Entfernung voneinander gesetzt, und der Kreis bildete eine richtige mathematische Figur. Diese Stätte, ohne Zweifel eine alte slawische Opferstätte, war von jeher unbeackert und unbenutzt geblieben, und nur dem Schäfer, der dort hütete, dienten die Steine zum Sitzen. Heute (1885) sind sie verschwunden, und die Fläche wird beackert. Nach der Sage aber sollen die Steine verwünschte Menschen gewesen sein.

In Puddiger und Umgegend, so erzählte man, herrschte zu wendischer Zeit ein Knäs***, der hart und grausam war, die Bauern schindete und ihnen Lasten auferlegte, die sie zuletzt nicht mehr tragen konnten. Beizukommen war ihm nicht, denn seine Knechte und Hunde schützten ihn; und es blieb den Bauern nur, sich mit dem Schwarzen Gott**** gegen den Tyrannen zu verbünden. Sie riefen den Gott an, und dieser zitierte die zwölf ältesten und angesehensten Bauern in einer Sommernacht in den Wald, um mit ihnen einen Vertrag zu schließen. Die Bauern erschienen und stellten sich im Kreise auf, der Schulze in der Mitte, und neben ihm stand der Schwarze Gott und hörte sich ihre Bitte an. Sie verlangten die Beseitigung des grausamen Grundherrn, und der Gott versprach ihnen die Erfüllung ihrer Bitte, wenn sie ich ihm zu eigen ergäben. Sie sagten zu unter der Bedingung, dass vor dem ersten Hahnenschrei der Tyrann entfernt und sie davon unterrichtet wären.

Während der Gott sich durch die Luft davonmachte, setzten sich die Bauern und beratschlagten, wie sie aus dem Pakt herauskommen könnten. Sie beschlossen, die Hähne im Dorf zum Krähen zu bringen und den Schwarzen, wenn er zurückkäme, mit Lobgesängen auf den weißen, guten Gott zu empfangen, denn dieser sei der oberste Gott.

Einer der Bauern eilte nach Hause und trug seiner Frau auf, den Hahn zum Krähen zu bringen. Kaum war er wieder auf seinen Platz im Kreis zurückgekehrt, krähten schon die Hähne im Dorf. Unterdessen hatte der Schwarze Gott den Knäs umgebracht, und schon war er dem Kreise nahe, als er die Hähne krähen und die Bauern den Lobgesang auf den Weißen Gott anstimmen hörte. Er fuhr wutschnaubend um den Kreis herum, berührte die Bauern mit einer Rute und verwandelte sie zu Stein. Da verwandelte der von den Bauern herbeigerufene Weiße Gott auch den Schwarzen in einen großen Stein.

* heute Podgórki
** heute Miastko
*** Herr, auch: Graf
**** Tschernobog, Czorneboh (und andere Schreibweisen): slawische Gottheit, die für das Böse zuständig war

Montag, 3. September 2012

Geschichte kurios: Toter Hanse-Ratsherr stimmt ab

Wer die Stralsunder Altstadt besichtigt, kommt am Wulflam-Haus (Mitte) am alten Markt nicht vorbei. Als ein Vertreter der mittelalterlichen Backsteingotik ist es der wohl protzigste erhaltene Patrizierbau aus der Hansezeit, den die Stadt zu bieten hat. An Bertram Wulflam, im 14. Jahrhundert berühmt-berüchtigter Bürgermeister, scheiden sich bis heute die Geister.



Wulflam war ein erfolgreicher und mächtiger Kaufmann, und so wurde er 1362 in den Stralsunder Rat gewählt und zwei Jahre später Bürgermeister. Die Regel, dass nur die altgedientesten Ratsherren Bürgermeister werden konnten, wurde für ihn eigens außer Kraft gesetzt. Stralsund war zu jener Zeit nach Lübeck die mächtigste und reichste Stadt der Hanse; das Zentrum des gewinnträchtigen Seehandels mit Russland und dem Baltikum. Wulflam hatte daran maßgeblichen Anteil; wie er auch einer der militärischen Führer und Unterhändler der Hanse war und deren Macht beständig stärkte. Er war ein harter, machtbewusster und listenreicher Mann und duldete keinen Widerstand. So schaltete und waltete er mehr als zwei Jahrzehnte nach Gutdünken in der Stadt.

In der Bevölkerung murrte man wohl über das harte Regiment, doch ausrichten konnte der einfache Bürger nichts. Doch mit den Jahren kamen mehr und mehr jüngere Männer in den Rat, denen Wulflams selbstherrliches Allmachtsgebaren ein Dorn im Auge war. Ausserdem hatte die Stadt in den Jahren 85 und 86 zwei Expeditionen gegen das Piratenunwesen ausgerichtet. Beide wurden von Wulf, Wulflams ältestem Sohn, geleitet, und waren kostspielige Fehlschläge. So schwand sein Einfluss Stück für Stück. Eine besondere Niederlage für den Ersten Bürgermeister war es, als sein Erzfeind, der (junge) Altermann der Gewandschneidercompagnie, Karsten Sarnow, in den Rat gewählt wurde. Erfolglos hatte Wulflam dies zu verhindern versucht.


Um der Piratenplage Herr zu werden, rüstete Stralsund 1391 abermals eine Flotte aus. Kommandeur war Karsten Sarnow. Einige Monate später kehrten die Schiffe mit etwa hundert gefangenen Piraten heim. Da die Stadt nicht über ausreichend Gefängniskapazität verfügte, wurden die Piraten genauso behandelt, wie sie sonst selbst mit Gefangenen zu verfahren pflegten. Man steckte jeden Mann in eine Tonne mit ausgeschlagenem Boden, im Deckel ein Loch, gerade groß genug, um den Kopf hindurchstecken zu können. Dann wurde eine Stange zwischen den Beinen hindurchgeführt und an der Tonne mit Vorhängeschloss befestigt. Doch lange mußten sie nicht in ihren Ein-Mann-Gefängnissen schmoren. Sie wurden ausnahmslos auf dem Alten Markt hingerichtet.


Karsten Sarnow war nun ein gefeierter Held in der Stadt. Bald darauf  wurde er zum Vierten Bürgermeister gewählt. Nun betrieb er mit seinen Freunden aktiv die Entmachtung des alten „Wolfs“ Wulflam. Wie in alten Zeiten wurde eine zwölfköpfige „Bürgerschaft“ eingesetzt. Sie setzte sich aus den Altermännern der angesehensten Gilden zusammen. Der Rat war dieser Bürgerschaft Rechenschaft schuldig. Dies verstieß jedoch gegen die Gepflogenheiten der Hanse. Schließlich erreichte die Opposition, dass der bisherige Alleinherrscher Wulflam aufgefordert wurde, eine Abrechnung der Stadtkasse für die vergangenen Jahre vorzulegen. Der weigerte sich. Nun erst kam heraus, dass Wuflam die gewaltige Truhe voller Gold seit Jahren in seinem eigenen Haus aufbewahrte.


Der Tag kam heran, an dem der Erste Bürgermeister dem Rat Zeugnis ablegen sollte. Doch in der Nacht zuvor machte er sich mit den Seinen (und der Stadtkasse) von dannen. Der Torwächter wird es nicht gewagt haben, den Zug aufzuhalten. Mit den Wulflams verschwand auch Münzmeister Gildehusen samt Familie. Er wird gewusst haben, warum.


Während sich Wulflam und Gildehusen nach Lübeck absetzten, um die Hanse um Schutz vor den wütenden Stralsundern zu ersuchen, ritten die drei erwachsenen Wulflamsöhne nur bis in die Nachbarstadt Greifswald. Von dort aus schickten sie bald darauf Boten, um über die Rückkehr in die Stadt zu verhandeln.


Der Rat erklärte sich zu Gesprächen bereit, Ort und Zeit wurden festgesetzt. Zwei angesehene Ratsherren erwarteten die drei Wulflams vor den Toren Stralsunds Mit ihnen waren zahlreiche Bürger hinausgeströmt, die es sich nicht entgehen lassen wollten, wie die stolzen Patriziersöhne demütig um Gnade flehen würden. Doch es kam anders. Diejenigen, die gemeint hatten, Wulflams kennen keine Reue, und der Rat hätte besser daran getan, abzulehnen, sollten Recht behalten. Die Unterhändler warteten in der heißen Sonne. Es war ein ungewöhnlich heißer Sommer; das Gras war verdorrt und die Blätter hingen welk an den Bäumen.


Endlich kamen aus Richtung Greifswald Reiter herangesprengt. Sie hielten direkt auf die Ratsherren zu und rissen nach Art von Junkern, die Bauern einschüchtern wollen, erst im letzten Moment die Tiere herum. Die stolzen Ratsherren wurden über und über mit Staub bedeckt.


Ohne vom Pferd zu steigen, schrie Wulf den Deputierten seine Forderungen zu. „Lasst Euch mitteilen“, rief er, dass wir Euch und Euer Kollegium nicht anerkennen!Wir fordern, dass unser Vater wieder als Bürgermeister eingesetzt wird und ihm Genugtuung widerfährt!“ Seine Rede war gespickt mit Flüchen und Schimpfwörtern.


Während Wulf den Abgesandten der Stadt seine Forderungen entgegenschleuderte, jagten seine Brüder zwischen die gaffenden Bürger. Ein Mann kam dabei zu Tode.


Wulf fuhr ungerührt fort: „Solltet Ihr Euch aber weigern, so wisset, dass wir jedem Stralsunder die Fehde ankündigen!“


Doch ihm wurde ruhig und besonnen beschieden: „Euer Vater hat die Stadt freiwillig verlassen. Er kann jederzeit zurückkommen. Aber er muss Rechenschaft ablegen und das Geld herausgeben. Wenn Ihr das nicht anerkennt, reitet fort und stört nicht länger den Frieden unserer Stadt!“


Voller Wut riss Wulflam den linken Handschuh herunter und schleuderte ihn dem Ratsherrn ins Gesicht. Darauf preschten die drei Brüder davon.


Zur gleichen Zeit war es Vater Wulflam gewährt worden, sein Anliegen auf dem Hansetag vorzutragen. Er schilderte, wie die Stralsunder eine Bürgerschaft eingesetzt und den Rat entmachtet hätten. Wie er selber mit dem Tode bedroht worden war und aus der Stadt fliehen musste. Er schilderte die angeblichen Verbrechen der Stadt in glühenden Farben, wobei er natürlich zu erwähnen vergaß, dass er versehentlich die Stadtkasse mitgenommen hatte. Und sein Wort hatte immer noch Gewicht. Ganz nach seinen Wünschen wurde ein Brief an die Stadt aufgesetzt, worin der Rat aufgefordert wurde, Wulflam wieder als Bürgermeister einzusetzen und die Reformen rückgängig zu machen. Andernfalls drohte die Verhansung*.


Karsten Sarnow, ein milder, frommer Mann, aber ohne politischen Weitblick, hatte Wulflams Freunde in ihren Ämtern belassen. Das sollte sich bald rächen. Zunächst einmal beriet die Stadt endlos über einen Antwortbrief. Ein Jahr ging ins Land, der nächste Hansetag kam heran. Verhansung hätte den Ruin der Stadt bedeutet. Zudem waren die Leute unzufrieden, denn es herrschte Not. Zwei Jahre Missernte durch Dürre in Folge, dazu die ständigen Aderlasse durch die wieder erstarkten Piraten, ließen die Menschen murren und zweifeln. So kam es schließlich, dass die Stimmung gegen Bürgermeister  Sarnow kippte. Wulflams Freunde begannen offen dessen Rückkehr zu fordern. Sarnow sah sich unversehens mit allerlei Anfeindungen konfrontiert. Seine Freunde wurden weniger, sein Zuspruch im Rat war dahin. Der Rat fasste endlich den Beschluss, sich dem Willen der Hanse zu unterwerfen. Sarnow, der dies verhindern wollte, wurde festgesetzt. Zwei Jahre, nachdem man ihn als Helden gefeiert hatte,  fiel er als „Feind der Stadt“ dem Richtschwert anheim. Wie ein Verbrecher wurde er vor der Stadt verscharrt. Seine Reformen wurden für Null und nichtig erklärt.


Bertram Wulflam konnte seinen großartigen Triumph nicht mehr auskosten. Er war kurz zuvor in Lübeck gestorben. Seine Söhne liessen den Leichnam nach Pommern transportieren. Bedenkt man die damalige Reisegeschwindigkeit, so kann man sich vorstellen, in welchem Zustand er angekommen sein mag. Daraufhin platzte Wulf Wulflam großspurig in eine Ratsversammlung hinein und forderte seines Vaters Sitz für sich. Dem mochte der Rat jedoch nicht nachkommen. Wulf war weder der geschickte Politiker, wie sein Vater, noch hatte er sich mit seiner unbeherrschten und hochmütigen Art viele Freunde gemacht. Man schlug sein Ansinnen rundweg ab.


Da liess er den Leichnam hereinschaffen und auf den Stuhl setzen. Dabei erklärte er, dass sein Vater für ihn stimme. Der diebische Münzmeister Gildehusen wurde, ebenfalls aus Lübeck zurückgekehrt, wieder in sein Amt eingesetzt. In den nächsten Jahren gab es zum Teil blutige Kämpfe mit den Anhängern der Reformen. Erst 1395 war die Opposition endgültig besiegt, und nun wurde Wulf Wulflam endlich auch Ratsherr und etwas später sogar Bürgermeister.


Wulf war und blieb dünkelhaft und herrschsüchtig. Große politische Erfolge waren ihm ebensowenig beschehrt wie beständiger kaufmännischer Erfolg. Jedoch verstand er es blendend, die Gunst des Hochadels und anderer mächtiger Häupter zu gewinnen. Vermutlich, indem er die Tatsache nutzte, dass solche hohen Herren immer klamm waren.


Als er mit einem ehemals befreundeten rügenschen Edelmann in Fehde geriet und diesen hinterrücks ermorden ließ, war sein Schicksal besiegelt. Dessen Sohn erschlug Wulf und floh; vermutlich zu den Seeräubern. Die wulflamsche Familie verarmte daraufhin rasch.


Eine Sage erzählt noch, dass Margarethe, Wulfs Frau, in den guten Zeiten hartherzig und voller Hochmut gewesen war. Einmal, an einem bitterkalten Wintertag, bat ein alter Bettler um einen Teller warme Suppe. Da wies sie höhnisch auf eine silberne Schüssel, in der ein Knochen für den Hund lag, und forderte den Alten auf, sich den Knochen mit dem Hund zu teilen. Daraufhin schüttelte der traurig den Kopf und sagte: „Eines Tages werdet Ihr nichts weiter als diese silberne Schüssel haben.“


Man hat aber Frau Margarethe, als sie völlig verarmt war, mit einer silbernen Schüssel an der Kirchschwelle sitzen und betteln sehen. Dabei murmelte sie vor sich hin: „Ach, gebt doch der armen reichen Frau.“






* Ausschluß aus der Hanse. Schiffe einer verhansten Stadt durften keine Hansehäfen mehr anlaufen. Rasanter wirtschaftlicher Niedergang wäre die Folge gewesen.

Montag, 23. Juli 2012

Wallensteintage 2012 in Stralsund



Buntes Treiben auf dem Alten Markt. Im Hintergrund
rechts das Rathaus, links St. Nikolai.
Jedes Jahr im Juli feiern die Stralsunder die erfolgreiche Verteidigung der protestantischen Stadt gegen die kaiserlichen Truppen und die Katholische Liga unter Generalissimus Wallenstein im Dreißigjährigen Krieg. Nachdem Stralsund monatelang der Belagerung widerstanden hatte, trafen die ersehnten dänischen und schwedischen Truppen ein, nach denen der Bürgermeister heimlich gesandt hatte, und Wallenstein zog schließlich unverrichteter Dinge ab.  
Rockige Folkmusik mit "The Sandsacks"
Sein Ziel war es gewesen, alle Ostseehäfen in seine Gewalt zu bringen, und er war über den erbitterten Widerstand der Stadt sehr erbost gewesen. Es ist überliefert, dass er geschworen haben soll "Und wenn Stralsund mit Ketten an den Himmel geschmiedet wäre, es muss herunter!" und: "Wenn Stralsund fällt, werde ich des Kindes im Mutterleib nicht schonen!" also Klartext: er wollte schwangere Frauen aufschlitzen lassen. 
Ich weiß nicht, was die Damen darstellen, Patrizierfrauen ganz
sicher nicht. Mit Adel hatte die Hansestadt nichts zu tun.
Die Nachbarstädte Greifswald und Barth hatten sich ohne Gegenwehr besetzen lassen, und die geforderte Auslösesumme gezahlt. Mit dem schwedischen König Gustav Adolf schloss der Stralsunder Hohe und Edle Rath hernach einen Pakt, der die rund 200jährige Schwedenzeit einleitete, in der Stralsund zur Hauptstadt Schwedisch-Pommerns wurde. 
Diese Frauen aus dem Volk haben zu Ehren des Befreier
die schwedischen Farben Gelb und Blau angelegt.

Bildung, Fortschritt und wirtschaftlichem Aufschwung, die die Schweden mitbrachten, folgten Kriegsmüdigkeit und gesellschaftliche Probleme, vor allem durch den lockeren Lebenswandel des Soldatenvolkes. 
Vorn links sitzend der Bürgerschaftspräsident, neben ihm
 der Oberbürgermeister. Im Fonds die Gattinnen.

Die Wallensteintage als das größte historische Volksfest Norddeutschlands fanden in diesem Jahr vom 19. bis 22. Juli statt. Am großen Festumzug beteiligten sich etwa 500 Stralsunder. Zahlreiche Schaulustige säumten die Straßen, als der Zug sich am Freitag um 16 Uhr in Bewegung setzte. 
Die Musketiere.
Es ging von der Hansawiese an der Sundpromenade über den Alten Markt - vorbei am historischen Rathaus - durch die Altstadt bis zur Hafeninsel; von dort wieder zurück zum Ausgangspunkt, wo der Zug sich auflöste. 
Die Pikeniere.
Wer wollte, konnte also als Zuschauer über Schleichwege den Zug mehrmals überholen und wiederholt an sich vorbeidefilieren lassen. Abends war dann noch der Pestzug, den ich leider nicht sehen konnte, weil die Stadt in ihrer unvergleichlichen organisatorischen Weisheit nicht in der Lage war, ausnahmsweise einmal nach 21 Uhr Busse fahren zu lassen. Jeweils 50 min Fußweg hin und zurück - das war es mir dann doch nicht wert. 
Entsatz naht - Landung der Skandinavier ...
Die Pest kam mit dem Krieg nach Pommern, nicht lange nach dem triumphalen Erfolg gegen die Besatzer. Am Samstag und Sonntag konnte man dann die "Schlacht um Stralsund" als Freiluftschauspiel am Strelasund verfolgen - dargestellt von je einem Dutzend Kämpfer auf beiden Seiten. Über das historische Wissen der Stralsunder war ich entsetzt. So wurde Wallenstein applaudiert, als er behauptete, die anlandenden Truppen (unsere Befreier!) gestoppt zu haben.
... was die Kaiserlichen zu verhindern suchen. Mittig in
Schwarz-Rot Seine Durchlaucht, der Herzog von Wallenstein

(betrifft Festumzug) Die Phantasiekostümierungen, zumeist aus dem Theaterfundus, hatten mit der historischen Realität nichts zu tun. Was ist das Gegenteil von authentisch? Und zwar das sehr, sehr krasse Gegenteil? Nun, es war ein unterhaltsames Spektakel. Die Straßen der Altstadt waren zudem von Händlern, Handwerkern, Gauklern und Spielleuten in Beschlag genommen. Es war ein buntes, wimmeliges Wochenende.


Die anderen Boote drehten bei, nur dieses eine war offensichtlich mit
Darstellern besetzt, die dann auch die "große" Schlacht gaben.

Bilder der Schlacht:





 



Hier noch einmal der große Feldherr während des Umzugs.



Freitag, 6. Juli 2012

Mecklenburg-Vorpommern-Tag

Vom 29. Juni bis 1. Juli war Stralsund Gastgeber des MV-Tages, der alle zwei Jahre stattfindet und jeweils von einer anderen Stadt ausgerichtet wird. Die Hansestadt nutzte die Gelegenheit, sich den ca. 80 000 Gästen attraktiv zu präsentieren. Das Motto des 10. MV-Tages „Tradition und Moderne – das ist MV“ schien wie für Stralsund gemacht. In diesem Jahr feiert Stralsund zum einen ein kleines Jubiläum – die Aufnahme der historischen Altstadt ins UNESCO-Weltkulturerbe; zum anderen ist es längst in der Moderne angekommen mit gezielter Innovationsförderung und Einrichtungen wie zum Beispiel dem Ozeaneum, einem neuen maritimtouristischen Highlight Deutschlands. 
Immer ein beliebtes Fotomotiv: das Stralsunder Rathaus. Hier wahrscheinlich zum ersten Mal zusammen mit einem Segelboot, da sich inmitten der Handwerkerbuden eine Bootswerft vorstellte.
Die Feierlichkeiten begannen am Freitagabend mit der Warm-Up-Party von „Ostseewelle Hitradio MV". Am Samstag und Sonntag zog sich dann das Festgelände vom Alten Markt, wo sich das Rathaus mit der einzigartigen mittelalterlichen Schaufassade befindet, bis zum Stadthafen hin. Auf dem Neuen Markt hatte der NDR seine „Sommertour“-Bühne aufgebaut, wo 14 000 Besucher am Samstagabend das ehemalige Spicegirl Mel C live erlebten. Am Freitag präsentierte zudem der ADAC seine Klassik-Tour mit rund einhundert liebevoll gepflegten Oldtimern. Ein richtig vollgepacktes Wochenende also.
Einige Oldtimer der ADAC Deutschland Klassik konnte man auch am Sonntag noch in Stralsunds Straßen bewundern
Eröffnet wurde das Fest von Oberbürgermeister Alexander Badrow, der die Gäste in seiner Stadt begrüßte, und Ministerpräsident Erwin Sellering, der in seiner Rede formulierte: „Das Fest hier am Strelasund ist ein Schaufenster für all das, was die Menschen in unserem Land täglich vollbringen und was sie im Beruf und in der Freizeit leisten“.
Ministerpräsident Sellering (Mitte) betritt das Kinder- und Sportland
Die Landesmeile gab den kreisfreien Städten sowie den fünf neuen Landkreisen Gelegenheit, sich vorzustellen und unser Bundesland von seinen schönsten Seiten zu zeigen.
"Mudder Schulten", Neubrandenburger Original, war eine couragierte Bäckerfrau, die sich von ihrem Landesherren Herzog Friedrich Adolf V. von Mecklenburg-Strelitz, nicht unterbuttern ließ.
Mecklenburg-Vorpommern ist nicht nur Tourismusregion, wo Wassersportler, Radler, Reiter und Golfer willkommen sind; man zwischen Strand-, Bildungs- oder Bauernhofurlaub wählen kann. Innovative Wirtschaftsentwicklung, lebendige Traditionen und intakte Natur sind Grundlage für eine hohe Lebensqualität. Reizvolle Landschaften mit artenreicher Flora und Fauna in zahlreichen Schutzgebieten und schier endlose Sicht über das flache Land, dazu die sonnenreichsten Strände Deutschlands, machen unser Bundesland aus. Mehr als 100 Kilometer feinsandige Ostseestrände, viele Steilufer und uralte Alleen, historische Städte mit hanseatischem Charme, verträumte Fischerdörfer, Klöster, Kirchen, Windmühlen und liebevoll sanierte Schlösser und Herrenhäuser - auch das ist MV. Nicht zu vergessen die Mecklenburgische Seenplatte als das größte zusammenhängende Seengebiet Mitteleuropas.
Ebenfalls viel fotografiert: der "Dornröschenspeicher" am Stadthafen. Wie reich mußte ein hanseatischer Kaufmann sein, um ein simples Wirtschaftsgebäude so protzig ausstatten zu lassen?


Im Pavillon des Landtages und im Zelt der Landesregierung gab es für Politikinteressierte viel Informationen, zahlreiche Quiz und die Möglichkeit, mit Abgeordneten und sogar Ministern zu sprechen. Landespolizei und Zoll stellten sich vor, man konnte auch sein Fahrrad codieren lassen. Die Bundeswehr informierte über Artenschutz auf Übungsplätzen. Zahlreiche Organisationen und Vereine wie zum Beispiel THW, DLRG, ADAC waren mit unterhaltsamen und informativen Angeboten präsent. Das DRK verlegte sein Landestreffen an den Sund. Die Rettungshundestaffel zeigte ihr Können, und es gab Angebote wie Schnuppertauchen, Überleben in der Wildnis, Kondomführerschein, Überschlagsimulator oder Rollstuhl-Parcours.
Walfred ist das Maskottchen des Ozeaneums.
Reichliche Betätigungsmöglichkeiten gab es auch für die kleinen Besucher des Volksfestes. Auf dem Alten Markt war die NDR-Kinderwelt  aufgebaut mit zahlreichen Angeboten wie zum Beispiel schminken, spielen, basteln. Auf der Hansawiese war das Kinder- und Sportland zu finden. Dort war Bewegung, Spiel und Lernen angesagt. Es gab ein buntes Kinder-Bühnenprogramm mit Clown, Zauberer, viel Musik und mehr. Am Rande des Kinderfestes trugen vorwiegend ältere Herren einen Schachwettbewerb aus.
Die riesige Modelleisenbahnplatte durfte nur von Kindern und Ordnern betreten werden
Die 1933 vom Stapel gelaufene Gorch Fock I, die, viel zu wenig bekannt, seit vielen Jahren in Stralsund liegt, wo eine Handvoll Enthusiasten mit liebevoller Hingabe und mit Hilfe von Spenden daran arbeiten, sie wieder seetüchtig zu machen, hielt Open Ship*. Andrang herrschte auch am Kran, der einen Personenkorb in die Höhe zog, so dass man das Hafenglände aus der Vogelperspektive betrachten konnte.
Das erste Schiff mit dem Namen "Gorch Fock" (Blohm&Voss 1933) hat ein wechselvolles Schicksal hinter sich.
Premiere hatte das Wissenschaftsfestival des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Hier stellten die Hochschulen des Landes verschiedene Projekte vor. Die Kreativität und der Ideenreichtum der Studenten und Wissenschaftler waren beeindruckend. Als Beispiel sei das ThaiGer-H2-Racing Team der Fachhochschule Stralsund genannt, ein Projekt, das seit Jahren einen energieeffizienten  Wasserstoff-Rennwagen weiterentwickelt und damit auch schon wiederholt am jährlich stattfindenden „Shell Eco-marathon“  teilgenommen hat.  Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt stellte sein "School Lab" vor, das sich in Neustrelitz befindet und von Schulklassen besucht werden kann. Über Plasmaforschung und deren praktische Anwendung informierten die Stände des Max-Planck-Instituts und des Leibnitz- Instituts.
Das Forschungsschiff "Elisabeth Mann Borgese" lag hinter dem Wissenschaftszelt vertäut und konnte besichtigt werden.
Auch ein unterhaltsames Bühnenprogramm fehlte nicht auf dem Wissenschaftsfestival, unter anderem traten die bundesweit bekannten "Physikanten" auf, die physikalische Phänomene anschaulich und unterhaltsam präsentierten. Wer mochte, konnte auch an dem Gewinnspiel „Wissenschaftssafari“ teilnehmen.
Der prähistorisch nachempfundene Einbaum wartet im Kanal auf mutige Fahrgäste.
Weniger innovativ, aber sehr interessant war ein Projekt, das von Lehramtsstudenten der Uni Greifswald vorgestellt wurde. Mit selbst gefertigten steinzeitlichen Werkzeugen hatten sie aus einem sieben Meter langen Pappelstamm in rund 400 Arbeitsstunden einen (bedingt) seetüchtigen Einbaum gebaut. Dieser lag im Langenkanal, und mutige Besucher konnten sich darin herumpaddeln lassen. Am Stand konnte man sich auch in die Fertigung von Feuersteinklingen einweisen lassen.
Mit Schutzbrille, Lederschürze und Handschuhen versehen, konnte man sich bei fruchtlosen Versuchen, von einer Flintknolle Splitter abzuschlagen, öffentlich blamieren (Hier die Autorin).
Auf zahlreichen Bühnen lief ein buntes Unterhaltungsprogramm, das für jeden etwas bereithielt. Neben Musik aller Coleur waren zum Beispiel die Bauchtanzgruppe Stralsund oder die Linedancer zu bewundern. In der Nikolaikirche erklang Musik der Hansestädte, eine Mischung aus Barock und Romantik.
Während keinen Meter entfernt hunderte Menschen flanierten, lag diese Katze ganz gelassen vor ihrer Tür. Echt norddeutsche Mentalität!
Auch die Region Pomorskie in Polen, also Hinterpommern, präsentierte sich einladend. Dort haben die Kaschuben ihre Sprache, Sitten und Gebräuche bis heute lebendig gehalten. Hauptstadt der Region ist die prachtvolle tausendjährige Hansestadt Gdansk. Hinterpommern verfügt über zwei Nationalparks und zahlreiche Naturschutzgebiete.

In zwei Jahren wird Neustrelitz, früher Residenz der Herzoge von Mecklenburg-Strelitz, zum 11. MV-Tag einladen.

Schon dieses Wochenende startet ein weiteres traditionelles Großereignis, diesmal sportlicher Natur, in der Hansestadt Stralsund: das 48. Sundschwimmen von Altefähr auf Rügen zum Stralsunder Strandbad über eine Strecke von mehr als zwei Kilometern. Der Start ist für 13.00 Uhr geplant, und etwa 25 Minuten später werden die ersten Schwimmer im Strandbad erwartet.

Sonntag, 1. Juli 2012

Grimmen - Impressionen vom Stadtjubiläum

Am 30. Juni feierte die Kleinstadt in Nordvorpommern 725 Jahre Stadtrecht. Der große Festumzug gewährte Einheimischen und Gästen bunte Einblicke in die Stadtgeschichte.

 Warten auf den Zug, der fast zwei Kilometer lang gewesen sein soll ...

  ... und hier warten die Teilnehmer auf den "Startschuß".

 Nicht ganz authentisch, aber hübsch anzusehen ...

 ... Erinnerung an kriegerische Zeiten.

 Hexen auf dem Weg zum Scheiterhaufen.

  Ist irgendwo im Osten etwas los, darf Drehorgelrolf nicht fehlen.

 
 Pferdefeuerwehr ... 

 ... und andere historische Fahrzeuge. 

Besonders gefreut hat mich die rege Beteiligung und 
das liebevolle Engagament der Grimmener und ihrer 
Nachbargemeinden. Die Stimmung war ausgezeichnet.

  Hier ist schon alles vorbei und das hat mir gar 
nicht gefallen: eine Stunde stehen die Pferde hier
 schon verschwitzt, durstig und stramm gezäumt, 
und niemand kümmert sich um sie.

 Schatten und Sitzplätze waren Mangelware. 
Hier die Festwiese im Volkspark.

Ein Wermutstropfen am Schluß: auch die Deutsche Bahn hatte etwas zu feiern. Den Tag der ausgefallenen Züge.